
Gerd weiß es auch nicht so genau. Der 41-Jährige aus der Rhön steht am Olmützer Bahnhof und sieht ein wenig ratlos den Bahnsteig hinunter. „Ist doch ein tolles Spiel“, sagt Gerd und seine Kumpels stimmen ein. Auch Olmütz sei schön, Prag ja eh, warum so wenige Zuschauer zu den Spielen ins Stadion gehen, sei ihm schleierhaft.
Gerd ist Fußballfan seit er klein ist, angesteckt von seinem Vater, der ihn nach dem Siegtorschützen des WM-Finals 1974 benannte. Gerd fährt oft zum Fußball, meistens Bundesliga, manchmal Länderspiele. Aber auch Gerd ist, wenn man so will, eher zufällig hier. „Mit unserem Freundeskreis haben wir in den letzten Jahren immer einen Junggesellenabschied gehabt. Aber jetzt gibt es keinen Junggesellen mehr. Wegfahren wollten wir trotzdem. Also haben wir uns am Freitag in den Bus gesetzt. Und das Spiel ist ja wirklich vielversprechend.“
Spitzenfußballer zum kleinen Preis
Da würden ihm wahrscheinlich die meisten Fußballfans zustimmen. Die deutsche U21 hat ein Team, das gespickt ist mit Stammspielern der Bundesliga. Der Gegner aus Portugal muss sich davor nicht verstecken. Viele dieser Jungs wird man in den nächsten Jahren international spielen sehen, Champions League, Europa- und Weltmeisterschaften. Bei der U21-EM sieht man Spitzenfußballer zum kleinen Preis, Stars in the making. Die Uefa weiß das und eventisiert die EM bis ins Kleinste. Ein Fan-Fest, proudly brought to you by, Gratis-Klatschpappen vom Biersponsor, Musikbeschallung allerorten. „Die U21-Endrunde ist kein Jugendturnier mehr. Wir wollen die Stadien füllen“, sagte Petr Fousek, der Chef des lokalen Organisationskomitees bereist vor einem halben Jahr, als wahrscheinlich die ersten Klatschpappen in die Fertigung gingen. Bei den Fans aber scheint sein Wunsch indes nicht angekommen.
Fußball, wie er sein sollte. Wäre da nicht der Uefa-DJ
Zweieinhalb Stunden vor Spielbeginn steht Pawel alleine vor den vier Tickethäuschen und löst eine Karte. Der Mittfünfziger wohnt in Olmütz und hat das gesamte Turnier verfolgt. Karten hat er immer bekommen, problemlos. „In ihrer Freizeit fahren die Tschechen lieber in die Natur“, sagt er und lüftet sein Tottenham-Käppi, um sich an der Stirn zu kratzen. Vor allem am Wochenende. „Viele haben kleine Gärten außerhalb, oder gar Ferienwohnungen im Grünen“, sagt er. Auf die Frage, warum er dann hier sei, lacht er. „Ich habe leider keine Ferienwohnung. Aber dafür habe ich Harry Kane spielen sehen, auch wenn er schlecht war. Und heute sehe ich Emre Can.“
In Deutschland sehen am Abend mehrere Millionen Menschen Emre Can und sein Team spielen. Die ARD überträgt zur besten Sendezeit, das letzte Gruppenspiel gegen Tschechien verfolgten fast sieben Millionen Zuschauer. Vor Ort aber sind nur wenige. Dabei wäre ein Wochenendausflug nach Prag und weiter nach Olmütz absolut lohnenswert.
Die Regionalbahn fährt vorbei an einer malerischen Landschaft, am Ende der Fahrt wartet das winzige Stadion von Sigma Olmütz. 13.000 Menschen passen hinein, in Deutschland würde es vielleicht einen Drittligisten beherbergen. Die Kurve hinter dem Heimtor ist wunderschön geschwungen, zwischen den vier Blöcken stehen majestätische Flutlichtmasten, dahinter kann man die Straßen von Olmütz sehen. Alles ist klein und nah, der Rasen ein Teppich. Das wäre Fußball, wie er sein sollte, wäre da nicht der unbarmherzige Uefa-DJ, der das Rund mit fiesen Technoklängen zumüllt.
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